THE INTERVIEW IN|DEEDS: WHO IS … Paula Krause

PROLOG | PERSÖNLICHES

Frau Krause, stellen wir uns vor, wir hätten uns persönlich getroffen. Wo sprechen wir zusammen? Im Freien. Vielleicht sitzen wir an Ihrem Lieblingsplatz? Wir spazieren in der Wuhlheide in Berlin Karlshorst, an der Wagenburg vorbei zu den Finnhüten, wo man einen preiswerten Kaffee bekommt. Dort können wir uns dort unter Bäumen an einen der Tische setzten und  die Fragen besprechen. Woher kommen Sie, wo sind Sie wann geboren? Ich bin am 27.07. 94 in Berlin geboren worden.

Paula Krause

Paula Krause, courtesy the artist

Wo leben und arbeiten Sie derzeit? Ich lebe in Berlin Karlshorst- hier bin ich auch großgeworden und zur Schule gegangen. Meine Heimat sozusagen. Hier arbeite ich auch  im Keller meines Großvaters, da ich  keine Miete zahlen muss und mich auch etwas um ihn kümmern kann.  Es ist sehr eng, aber ich weiß mir zu helfen. Skulpturen fertige ich unter freiem Himmel an, wenn es wärmer wird. Welche Stationen und Menschen haben Sie geprägt? Es sind immer die familiären Wurzeln, die einen prägen. Und die sozialen und kulturellen Umstände, in denen gelebt wurde und gelebt wird. Ich versuche mich hier zu beschränken, denn natürlich gibt es hier viel zu erzählen. Mein Vater ist ja ein halber Russe- mütterlicherseits. Er hat auch in Moskau sein Abitur gemacht. Mein deutscher Großvater hatte also eine wunderschöne russische Frau mit sich nach Hause genommen, meine Oma. Diese Ehe hielt nicht und die Familie meines Vaters wurde sozusagen auf zwei Länder verteilt. Die DDR und Väterchen Frost: Russland, Moskau. Man könnte vielleicht sogar behaupten die unterschiedliche Mentalität hat auch zu einer Trennung geführt. Diese Geschichte hat meinen Vater nie mehr verlassen und das ist auch in meiner Erziehung verankert. Im Herzen ein Russe, aber die deutsche Sprache sprechen. Zumindest hat er mir „sein Russisch“ nicht weitergeben. Das ärgert mich heute noch. Denn die russische Sprache hat viele Ebenen, die dem deutschen Umgang fern sind. Das ändert wesentliches. Vielleicht ist das auch was, was ich mit der Kunst versuche für mich zu beantworten. Eine Art Sprache finden – die sich in ihrem Wesentlichen aus scheinbar widersprüchlichem formt. Beutet nicht, dass ich in der Kunst Identitätssuche betreibe. Das interessiert nicht. Es ist mehr eine Beobachtung, die mich beschäftigt und meine Wahrnehmung auf meine Umgebung, auf die Berliner Gesellschaft, beeinflusst hat (…).

Paula Krause in her studio 4

Paula Krause im Atelier

Meiner Mutter musste nach der Wende 89 aus ihrem Beruf gehen und sich völlig neu orientieren. Sie arbeitete in der DDR in einer Buchbinderei im Bereich des Kunsthandwerks. Sie war damals während  ihrer Schulzeit als Einzige entdeckt worden, von der Kunsthochschule Weißensee. Die sind wohl damals an die Schulen gegangen! Dadurch hat sie die Arbeit mit Papier, mit diesem schönen Material, entdeckt. Das alles ist lange schon Geschichte… Sie ist dann examinierte Altenpflegerin geworden. Es gab ja die Frage zu beantworten, was beruflich im Westen Zukunft hatte, der Handwerksbetrieb ist pleite gegangen. Eine Geschichte voller Trennung, historisch, autobiografisch. Naja nun … Eine besondere Erinnerung habe ich an meine Kindheit: Ich bin vielleicht 4 oder 5 Jahre alt. Meine Eltern und ich, meine Schwester war nicht dabei, besuchten einen Künstlerfreund von meinem Vater. Das war der Bildhauer Sergej Dott, der mit den Riesenrosen am Potsdamer Platz (die stehen da nicht mehr) und Kühen aus Gips an Häuserwänden in Berlin. Jedenfalls waren wir in einer sehr großen Villa, die er mit seiner Frau und seinen vielen Kindern bewohnte, auch als Atelier natürlich. Diese fiel förmlich auseinander. Es regnete und das Wasser lief aus der Decke. Im Haus standen Eimer, um den Regen aufzufangen. Es gab eine große Party und überall standen Tiere lebensgroß: ein großes weißes Pferd im Eingang, Kühe und Vögel. Ein richtiger Zoo. Mitten im „Entre“ war es staubig und roch nach Werkstatt. In der Badewanne lag auch ein Tier, ein Reh, aber das war echt. Das war wohl als Festessen gedacht. Die ganze Stimmung, diese unwirklichen Bilder. Die lauten Stimmen, und von Zigaretten verrauchte Räume mit riesenhohen Decken auch noch bei Kerzenschein. Wie eine Art Geheimtreffen. Irgendwann zog mich aber wie viele Kinder der Fernseher in Bann, der in einem winzigen Raum ganz oben in einem Turm, nur zu betreten von einer sehr langen Wendeltreppe, stand. In dieser kleinen Kiste lief ein Schwarz-Weiß Film. Leider habe ich bis heute nicht herausgefunden, was das für ein Film war. Die Szene ging um eine Frau, die anfing zu wachsen und damit nicht aufhörte, bis sie über die Straße, über die Dächer einer Stadt hinauswuchs und mit großer Unbeholfenheit in ihrer übermenschlichen Wucht mit jeder Bewegung Zerstörung anrichtete… In jedem Fall, erinnere ich mich an all das, auch wie, als wäre es ein Ausschnitt aus einem Film. Mein eigener Film. Ich liebte diese Unordnung und die Imperfektion hinterließ in mir ein großes Gefühl von Freiheit. Dieser Drang ist nie verschwunden. Auch heute noch, suche ich solche Orte und Menschen.

Paula Krause in her studio 3

Paula Krause im Atelier

Welche Schriftsteller*innen finden Sie derzeit spannend und welche Bücher finden sich in Ihrem Bücherregal? Ich interessiere mich nicht wirklich für aktuelle Schriftstellerei. In meinem Bücherregal sind alle möglichen Kunstbücher, die ich mir zusammengesammelt habe. Diese schaue ich mir an, wie einen Mythos. Schon als Kind war es schwer, mich zum Lesen zu bewegen.  Mein Vater schaffte es nur mich mit dem „Emil und die Detektive“ von Erich Kästner in meiner Lesefaulheit zu überlisten. Denn ich war ein sehr bewegtes Kind. Alles drängte mich schon dort zum Ausdruck. Dazu gehörte neben dem Zeichnen und Malen auch das Singen und Schauspielern.  (…) Das ist natürlich nichts, womit man prahlt, und ich versuche mich zu bessern, und mehr zu lesen! Dazu kam wahrscheinlich auch, dass das Lesen in meiner Schulzeit schon durch die digitalen Medien abgelöst wurde. Da meine Eltern mich so lang wie möglich vom Fernsehen und anderem bunten Dingen abhielten, stand ich immer etwas abseits auf dem Schulhof. Ich stöbere gerne in Synonymwörterbüchern. Ich finde, man muss ab und an etwas Abwechslung in die Ausdrucksweise bringen, um sich unbemerkt wiederholen zu können. Denn ich habe mein eigenes Tempo. Ich lese sehr gern Zitate von berühmten Leuten oder sagen wir eher von Leuten mit für mich erwiesenermaßen geistiger Tragweite. Da kann ich mir einen Gedanken nehmen und mir den ganzen Tag darüber den Kopf zerbrechen. Ich mache dann den Versuch, das Gelesene auf das eigene Leben zu übertragen und mich daran zu messen. Dazu gehören nicht nur Künstler. Wenn ich lese, braucht es einen Grund dafür, denn Lesen ist Bildung. Und ich führe mir eben am Liebsten ausgewählte Dinge zu, beziehungsweise, das erfahrene Wissen soll durch das Erlesene untermauert oder in Frage gestellt werden. Alles was zu abstrakt wird, sich von meinem Leben entfernt, beschäftigt mich weniger.  Neben der Kunst, bin ich ein großer Freund aller Sachliteratur, die sich im Allgemeinen um psychologische, philosophische Themen drehen. Ich habe überhaupt keine Geduld für Romane …

DEEDS WORLD - Interview - Paula Krause in her studio 6

Paula Krause im Atelier

Welche Bücher haben Sie beeinflusst oder geprägt? Ich nenne mal zwei Bücher, die mein Herz und meinen Kopf gleichermaßen berührt haben. Denn wenn das so ist, dann ist das ein gutes Buch für mich. Ich habe sehr gerne „Die Wahrheit über Hänsel und Gretel“ von Hans Traxler gelesen, eine Märchenforschung eines Grimmschen Märchens. Tatsachen, die aus historischen und archäologischen  Quellen einen Gegenentwurf, eine zweite sehr viel düstere Version über das Märchen erzählen. Aus dem Märchen wird Geschichte für Erwachsene. Es hat auch etwas verbotenes, das Geheimnis eines Märchens zu entlarven. – Es ist ein gewaltsamer Akt zur Wahrheit vorzudringen. So verhält sich das in meiner Malerei auch. Ich beobachte, dass es mit den Menschen oft ähnlich zu geht. Es geht zumeist um den Scheinbaren, den Angepassten und den Betreuten und auf der anderen Seite gibt es das Selbst, ein Wesen das sich auch gegen den Konsens entwickelt. Diese zwei Antagonisten haben irgendwo dazwischen die Wahrheit. Gerade diese will ich durch meinen künstlerischen Prozess herausarbeiten. Schaffe ich es, diese zu berühren, dann bin ich für einen kurzen Moment befriedet und das Bild wird ins Kunstgedächtnis aufgenommen. Dann ist es schon wieder vorbei mit der Selbstgefälligkeit und die neu aufkommende Unruhe drängt mich zum nächsten Bild. Aber die Entwicklung meiner Kunst verläuft nicht im Kreis sondern in einer Spirale. Alles Erfahrene bringt mich auf eine neue Ebene, oder reichert das Vorhandene an und somit gibt es keine reine Wiederholung. Die Zeit kann nicht rückwärts verlaufen. Das wirkt nur so, wenn man es noch nicht begriffen hat. Mein zweites Beispiel ist Thomas Manns der Untertan. Da ist einfach eine Schärfe in der Sprache, die geht mir in die Knochen. Da bleibt einem der Lacher im Halse stecken. Was lesen Sie aktuell und wo liegt das Buch griffbereit? Aktuell höre ich lieber Musik und schreibe selber. Das dient mir zur Reflexion und erinnert mich daran, dass ich der Hersteller des eigenen Werks bin. Denn es kann schon mal passieren, dass das in Vergessenheit gerät, wenn man sich zu sehr in ekstatischer Bewegung befindet. Da ich aber ungern etwas dem Zufall überlasse, muss die Freie Bewegung vorbereitet werden und dehnt sich in einem gesetzten Rahmen aus.

DEEDS WORLD - Interview - Paula Krause in her studio 2

Paula Krause im Atelier

Welche Musik hören Sie und wann? Ich höre im Atelier viel Musik. Am liebsten morgens bis mittags Radio, meist Kulturradio. Wie eine Art Hintergrundgeräusch. In dieser Zeit verschaffe ich mir Klarheit über Gemaltes und grübel über die nächsten Schritte. Am Nachmittag  komme ich dann langsam in Wallung und die gesammelte Energie wird dann zumeist von verschiedener Musik beim Malen begleitet. Das hilft mir, den Arbeitsfluss über längere Zeit beizubehalten und zu fokussieren. Zumeist eine Musik, die nicht nach 3 min vorbei ist, den alle Zustände sind erlaubt und brauchen ihren Raum. Im Moment versinke ich oft in Miles Davis’s „A silent Way“. Ich lasse mich in dieser Musik fallen, und ich lasse mich tragen. An sich hat jede Musikrichtung ihre eigene Gefühlswelt. Ich bleibe da wandelbar, also beweglich im Innern. Mussorgski, Mozart, Bach bis zum Experimentellen, Isao Tomitas Interpretationen, Russische Militärchöre, The Doors, Ceanned Head, The Can, Patti Smith, Zappa, Hendrix , Zarah Leander, Ted Milton’s Blurt usw.. Das ist zumeist ein ganz beiläufiger Moment, dann sehe ich meine Malerei wie eine musikalische Komposition. Hat man eine Methode gefunden, stellt sich ein Automatismus ein und das Kunstgedächtnis beginnt Erlerntes zu reproduzieren, was als reines Prinzip, für mich nicht funktioniert. Herz und Kopf gehören zusammen und streben zur Einheit.  Zudem ist jede beginnende Sesshaftigkeit im Werk lähmend und verhindert den Prozess des Fortschreitens in meiner Kunst. Die entwickelten Methoden und Abläufe müssen immer wieder der Entwicklung der Kunstidee angepasst werden. Das Prinzip der spiralförmigen Entwicklung. Die Zerstörung ist der Punkt, an dem sich Erschaffenes, dass sozusagen ausgedient hat, oder zu starr geworden ist, wieder lösen muss. Da bin ich ganz bei Iggy Pop mit seinem Titel „search and destroy“. Man muss kaputt machen, was den Fluss des Lebens behindert. Wenn Sie etwas für uns kochen würden, was wäre es? Da muss ich erstmal überlegen, denn ich müsste ja klären, welche Umstände gegeben wären. Ich mag es immer sehr, wenn das Essen sich gut einfügt in den Tagesablauf. Das ist auch eine Kunst für sich und das klappt auch noch überhaupt nicht bei mir. Aber was wahrscheinlich immer funktioniert, ist Pasta. Olivenöl und viel Knoblauch sollten nicht fehlen.

DEEDS WORLD - Interview - Paula Krause in her studio 5

Paula Krause im Atelier

Was essen Sie am liebsten? Ich könnte jeden Tag Fisch essen. Das geht in allen Variationen. Vielleicht kommt das daher, dass ich als Kind mit meinem Vater in Schweden oft angeln war. Was halten Sie vom Frühstücken? Das finde ich wunderbar, sollte aber nicht zu lang dauern, sonst ist der ganze Tag im Eimer. Welchen Sport oder Ausgleich zu Ihrer Arbeit betreiben Sie? Ich mache gerne lange Spaziergänge. Sport ist doch was für ältere Menschen, um das Leben zu verlängern! Wenn man ein bewegtes Leben führt, dann ist man bestimmt ausgelastet. Hat was mit dem Maß zu tun. Aber irgendwann muss ich da auch mal ran. Haben Sie besondere Leidenschaften, für die Sie brennen, und wenn ja welche? Ich habe ja lange eine Gesangausbildung genossen, Klassik und dann Rock Pop – hatte zahlreiche Auftritte, damals auch als Solistin im Canzonetta Chor unter der Leitung von Jochen Wittur. Die beste Erziehung ist wahrscheinlich Musik. Das hat mich geprägt und ich singe auch heute noch. Ich lebe ja auch mit einem Musiker zusammen. Mein Freund, Piotr Kalata, ist Gitarrist und wir sind durch die Musik zusammengekommen. Ich wollte endlich mal in einer Band singen und er suchte ein neues Bandprojekt. Da kommt Klassik und Metall zusammen. Und dazwischen ist dann unsere Liebe entstanden. So ungefähr. Also mit ihm, mach ich auf unserer Toilette Aufnahmen zu zumeist von ihm komponierter Musik und diskutieren das dann. Wir wollen auch ein Album veröffentlichen, aber das ist noch in Arbeit. (…) Ich war mal auf einem Konzert von Ted Milton, auf das mich meine Freundin Kerstin Bossdorf eingeladen hat. Sie ist schon ein wenig älter und befreundet mit Tatjana Bossdorf, die auch Sängerin der Firma war und Bass spielt. Eine großartige Atmosphäre, die macht mich demütig. Welches Persönlichkeitsmerkmal macht Sie aus? Ich bin wie ein Schwamm. Ich sauge alles um mich auf und bin daher oft sehr unruhig. Da gibt es bestimmt noch ein paar mehr Merkmale. Hauptsache, sie halten sich die Waage. 

DEEDS WORLD - Interview - Paula Krause in her studio 1

Paula Krause im Atelier

INTERVIEW | KÜNSTLERIN + POSITION

Zu Beginn erzählen Sie uns bitte in ein paar Sätzen Ihre künstlerische Vita.

2014 eröffnete ich im Kulturhaus Berlin Karlshorst nahe meines Wohnorts meine erste Einzelausstellung, zu Beginn meines Studiums der Bildenden Kunst an der Universität der Künste mit dem Titel „Die Endlosigkeit des Traumes und die Liebe zur gemeinsamen Wirklichkeit“. Ich präsentierte Malerei und Zeichnung. Diese entwickelte ich während meines Studiums experimentell weiter und erhielt im Laufe der Weiterentwicklung meiner Arbeit 2019 das Stipendium für Malerei von der Dorothea Konwiarz Stiftung. Hier durfte ich in deren Galerie in Charlottenburg eine Einzelausstellung präsentieren, welche von Ottokar Fritze dem Vorstand der Stiftung eröffnet worden ist. In seiner Rede formulierte er schon treffend, aus welchem Stoff meine Malerei gemacht ist und inspirierte mich, meinen malerischen Prozess zu verfolgen und zu vertiefen. Nach dieser Zeit machte ich zwei Ausstellungen in der Galerie Anahita Contemporary mit und konnte erstmalig meine Arbeit in einem Rahmen des Kunstbetriebes präsentieren. Das hat mich viel gelehrt. Ich zeigte hier Arbeit mit denen der verstorbenen Michaela Holzheimer. So wurde ich neugierig auf weitere Ausstellungsmöglichkeiten und durfte dann 2020 einige Ausstellungen in Zusammenarbeit dem Künstler und Kurator Irakli Megre  umsetzten. 2021 im Februar absolvierte ich meine Studium und erhielt den Meisterschülertitel bei Professor Burkhard Held.

Was mich nachhaltig beschäftigt, ist die Eröffnung meiner Position während der Ausstellung „Eigenlicht“, in der respace gallery, durch Bazon Brock in seinem Vortrag „Extase im Blick“. Er gab dem Publikum eine Möglichkeit meine Bildwelt durch das Gedicht von „Der Dunkle“ von Gottfried Benn zu erfahren. Diese Verschmelzung der Dichtung mit der Bildenden Kunst bereicherte meine Gedankenwelt sehr. Ich machte auch eine Ausstellung im Ausland in Porto, Portugal, was mich auf den Geschmack gebracht hat, im Ausland auszustellen.

DEEDS WORLD - Interview - Paula-Krause - die Umkehr

Paula Krause, Diptychon, die Umkehr, 2022, Je 2 00  x 120 cm, Öl auf Leinwand

Erläutern Sie uns kurz Ihr aktuelles Projekt bzw. die kommende Ausstellung.

Ich arbeite an einer Ausstellungsidee, die den Titel  „search and destroy“ tragen soll. Und suche eine Ausstellungsmöglichkeit um die dazu entstande großformatige Malerei und Zeichnungen in einem größeren Rahmen präsentieren zu können. Doch da bin ich noch in Arbeit. Wie der Titel schon andeutet, geht es um Systeme, die fallen und neues, was sich aus deren Bruchstücken bildet. Das Leben ist in seinem Fluss und nicht aufzuhalten. Wenn veraltete Systeme, die das Leben regeln, nicht mehr standhalten, dann müssen diese gewaltsam demontiert werden und sich neu formen. Der städtische Mensch befindet sich in einer sich stetig wandelnden Welt und ist dadurch selber in ständiger Transformation. Sind wir diesen Prozessen ausgeliefert? „survival of the fittest“, was bedeutet, dass der am besten Angepasste überlebt. Als laufe der Mensch dem Geschehen hinterher.

Die Realität ist nicht gleich die Wirklichkeit. Die Keimzelle aller menschlichen Bewegung ist die Wahrheit, die Ihnen innewohnt. Zwischen Harmonie und gewaltsamer Brechung bewegen sich meine Figuren. Schicht um Schicht, formulieren sich Zustände des Angepassten und des Isolierten.

DEEDS WORLD - Interview - Paula-Krause - Serie_fōrma 3

Paula Krause, aus Serie_fōrma (im Sinne der Beschaffenheit und Regel), 2021,
Kohle, Tusche, Ölstift, Acryl, 42×59 cm (6/10)

Worüber machen Sie sich zurzeit am meisten Gedanken; was beschäftigt Sie?

Man kann sagen, meine Gedanken kreisen immerzu um den Prozess zum malerischen Ausdruck und dem eigens gewählten Kontext. Eine Formensprache, die sich in dieser Zeit, schnelllebigen Konsums von Bildern im Alltäglichen, auf die Bildende Kunst und ihre Tempo einlässt. Es gibt viele Fragen. Wie kann Malerei aussehen in einer Zeit der Digitalisierung der Arbeit und der Kommunikation, wie und unter welchen Umständen arbeiten Künstler heute? Kann, oder muss sich ein Maler neu positionieren, sich gar distanzieren von Zeit und Ort? Denn die Suggestion der digitalen Überwältigung erzwingt eine Reaktion, die Existentielles in Frage stellt.

Das sind Fragen, die im Generellen gestellt werden und sich an Bildende Künstler richtet. Ich bin da ganz bei mir und bin davon überzeugt, Malerei kann nicht sterben. Weil, ich werde meinen Weg gehen, komme, was wolle. Genauso kann der Mensch niemals seine Vergänglichkeit überlisten, und wird daher immer an den Dingen festhalten, die seine Vulnerabilität spiegeln. Er sucht sich von der Schuld zu befreien, dass er sterben muss. Der Tod betrifft also nicht die Kunst.

Und natürlich beschäftigt mich, dass ich meine Ausstellung umsetzten kann und einem kunstinteressierten Publikum eröffnen kann. Denn ich habe auch kein Platz mehr für meine ganzen Arbeiten im Keller.

Wie sind Sie zur Kunst gekommen? Warum Kunst?

Ich bin eben ein Nomade. Ich kann nicht lange still sitzen und nicht ins Atelier gehen. Das habe ich mir also einerseits ausgesucht und andererseits nicht. Es ist nun eben so, dass man sich selbst der Nächste ist. Es kann Angst machen, nicht mehr betreut zu sein: Einen Weg zur wahren Mündigkeit im Denken und Fühlen zu gehen birgt Gefahren. Man ist oft einsam, aber irgendwo habe ich mich daran gewöhnt, wie an einen alten Freund. Aber ich habe lieber Angst vor mir selber, als vor anderen. Also warum Kunst: Weil es sein muss. Und was anderes kann ich auch nicht.

DEEDS WORLD - Interview - Paula-Krause - Serie_fōrma 1

Paula Krause, aus Serie_fōrma (im Sinne der Beschaffenheit und Regel), 2021,
Kohle, Tusche, Ölstift, Acryl, 42×59 cm (6/10)

Was macht Sie aktuell glücklich?

Der Frühling und hoffentlich ein frischer Wind, der mich etwas aus meinem Wintermodus holt. Und neue künstlerische Ideen, die damit kommen.

Was macht Ihnen aktuell Angst?

Aktuell? Ich habe keine Angst vor Dingen, die sich erklären lassen. Vielleicht nur davor, mich aus Bequemlichkeit an Umstände zu gewöhnen,  die sich nicht eigentlich nicht mit meinem Wesen vertragen. Da geht es eher um Urängste, die was Existentielles berühren.

Glauben Sie, dass Kunst eine gesellschaftliche Verantwortung trägt? Und was denken Sie, was sie bewirken kann?

Die Personen, die Kunst machen, tragen Verantwortung. Und die Gesellschaft kann das fördern oder nicht.  Kunst bewirkt nicht, sondern wirkt in erster Linie- im Idealfall. Da ich ja an der Udk „ausgebildet“ worden bin. Was ich hier bewusst in Anführungszeichen setzte, bin ich maximal ideell „erzogen“, und muss auch hier natürlich erstmal wieder mein Weltbild gerade rücken. Dieses Haus entfernt sich absolut von meiner Vorstellung, was Kunst soll. Die systematische Beweihräucherung die da betrieben wird und die Studenten, die sich in diesem System engagieren, verstehe ich nicht. Ich lebe lieber in meiner Welt, als in einer Wirklichkeit, die ich nicht erkennen kann.

DEEDS WORLD - Interview - Paula-Krause - Serie_fōrma

Paula Krause, aus Serie_fōrma (im Sinne der Beschaffenheit und Regel), 2021,
Kohle, Tusche, Ölstift, Acryl, 42×59 cm (6/10)

Was macht Ihre Kunst aus? Worum geht es in Ihrem Werk – was sind die zentralen Themen?

Meine Kunst beschäftigt sich nicht mit dem Äußerlichen, sondern dem Innern. Ein schönes Paradoxon. Ein Blick nach Innen, der vorgefertigte Annahmen über die gemeinsame Wirklichkeit in Frage stellt. Ich mache ja keine Themenkunst, sondern ich male und zeichne, was aus sich heraus den Prozess des Schaffens in der Bildenden Kunst an sich thematisiert und sich somit auf verschiedenen Ebenen des menschlich Erklärbaren und dem Ungelösten Problem der menschlichen Existenz bewegt. Im Grunde kann man sagen, ich füge mich in die Geschichte der Kunstmalerei ein, versuche es, und folge einer Tradition, wie Malerei ihre Formensprache entwickelt. Man kann nicht wahrhaftig malen, ohne die Geschichte der Malerei zu durchlaufen, das ist der Weg, der zum Selbst führt und zur eigenen Kunstsprache, die sich ja auch nicht von Ihrer Entstehungszeit lösen kann. So geht das fortlaufend.

Lesen Sie die Antwort von Paula Krause zu Ihrem Werk weiter in THE DEED | DAS WERK

Wie schützen Sie sich in der heutigen Zeit vor zu viel Inspiration?

Ich begebe mich in eine Askese, schließe mich also ins Atelier ein. Kein Internet, kein fettiges Essen. Hungrig arbeite es sich eh am besten. Das einzige was mit rein darf, ist Musik, Zigaretten, Kaffee, Wein.  Das was da alles auf uns ein rieselt ignoriere ich, da ich dabei keine Inspiration bekommen kann. Ich empfinde das als lähmend, dass man alles einfach Sehen kann auf Bildschirmen, auf der Straße, dass alles Wissen zu googeln ist. Das sind reine Suggestionen. Damit kann ich nichts anfangen. Wie komme ich zu meinem Wissen? Das ist die entscheidende Frage. 

Das, was da von Außen kommt sind allerhöchstens Impulse, die Inspiration bringe ich selber mit. Und zur Sortierung meiner Gedanken schreibe ich öfter mal Texte.

Wie viel in Ihren Arbeiten ist vorher geplant – wie viel entsteht intuitiv?

Die Intuition ist am Anfang und gibt mir einen Weg vor. Das hat auch was von Vorhersage. Sodass die ersten Pinselstriche sich von allein bewegen. Zunehmend verdichtet sich alles und die Arbeit braucht nicht direkt Planung sondern muss sich vom Gefühlsmäßigen wieder distanzieren. Das ist dann eine Verlagerung der Arbeit auf das Sehen und nicht mehr auf die Handlung selbst. Dieser Prozess wiederholt sich bis zu einer Vollendung. Die Vollendung ist erreicht, wenn die Behauptung steht und darf keinem Zwang der Perfektion unterliegen. Somit werden meine Bilder zu wirklichen Abbildungen und sind nicht rein automatisch. Das wird sicher zukünftig Neues bringen.

DEEDS WORLD - Interview - Paula-Krause - Serie_fōrma 2

Paula Krause, aus Serie_fōrma (im Sinne der Beschaffenheit und Regel), 2021,
Kohle, Tusche, Ölstift, Acryl, 42×59 cm (6/10)

Was sind Ihre (nächsten) Ziele?

Meine nächsten Ziele sind, mich um ein neues bezahlbares Atelier zu kümmern, um meine Arbeit weiter zu entwickeln, denn aus meiner jetzigen Zwischenlösung muss ich raus. Naja, das Nomadentum wird in Berlin zum Dauerzustand. Ich möchte die Möglichkeit haben, meine aktuelle Arbeit zu zeigen. Auf Jobsuche bin ich auch.

Wie stehen Sie zum Thema Glauben? Haben Sie Glaubensgrundsätze oder gibt es einen Leitspruch?

Ich glaube daran, dass es Wahrheiten gibt, die unser Handeln bestimmen. Das führt mich zukünftig natürlich zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Christentum, der ja begründend ist für unseren Kulturkreis. Bisher habe ich noch keine persönlich tiefgründigere Auseinandersetzung gewagt, denn das könnte ja alles verändern. Aber grundsätzlich ist es nicht vermeidbar, wen man Kunst betreibt,  sich damit auseinanderzusetzen. Glaube ist schließlich keine Modeerscheinung, bei der man überlegt, ob einem das Kleidungsstück passt oder nicht.

Welches Projekt würden Sie gerne noch realisieren, wenn fehlende Zeit, mangelnder Mut oder finanzielle Ressourcen keine Rolle spielen würden?

Ach da gibt es vieles, aber das hat eher mit finanziellen Mitteln zu tun, als mit mangelndem Mut. Das würde jetzt den Rahmen sprengen. Aber an sich würde ich mich mehr mit Skulptur beschäftigen wollen, um meine Figurationen in den realen Raum zu transformieren. 

DEEDS WORLD - Interview - Paula-Krause - Triptichon - Serie_habitus 1

Paula Krause, Triptichon/Serie_habitus, 2021, Kohle, Tusche, Ölstift, Acryl, 61×86 cm

Was sind aus Ihrer Sicht Attribute für gute Kunst?

Gute Kunst, kann man nicht verstehen und das ist auch nicht wofür sie da ist. Man kaut dem Gast das Essen ja auch nicht vor. Gute Kunst ist Wahrheit, sodass sie nicht den Beigeschmack von Design hat, und steht der Mode, dem Zeitgeist, dem Trend unabsichtlich konträr gegenüber.

DEEDS WORLD - Interview - Paula-Krause - Triptichon - Serie_habitus 2

Paula Krause, Triptichon/Serie_habitus, 2021, Kohle, Tusche, Ölstift, Acryl, 61×86 cm

Wird man als Künstler*in geboren? Oder ist ein Kunststudium aus Ihrer Sicht Pflicht?

Naja, man wird geboren und man gelangt zur Selbsterkenntnis und kann dann nicht mehr zurück. Ein Kunststudium ist, wenn es gewisse Grundsätze verfolgt, eine Formung des Künstlers, Fähigkeiten zu erlangen. Hauptsache, es kommt nicht zur Verformung. Ist meiner Meinung nach aber an sich nicht notwenig, wenn die entsprechende Person ein Genie ist.

DEEDS WORLD - Interview - Paula-Krause - Triptichon - Serie_habitus 3

Paula Krause, Triptichon/Serie_habitus, 2021, Kohle, Tusche, Ölstift, Acryl, 61×86 cm

Wem zeigen Sie ein neues Werk zuerst?

Neue Werke zeige ich ausschließlich Personen, denen ich vertraue und die möglichst unverfälscht ihre Beobachtungen besprechen können. Das betrifft hauptsächlich meinen Partner, meine Künstlerfreundin Anke Dobberstein , meinen Vater und meinem neugewonnen Kunstfreund  Irakli Megre.

Wie sieht die erste Stunde Ihres Tages aus?

Möglichst ruhig.

EPILOG | AKTUELLES

www.artdisc.org/index.php?page=kunstarbeiter&idk=69

www.artsy.net/artist/paula-krause


Das schriftliche Interview ist ein wichtiges Medium, um Künstler:innenpersönlichkeiten vorzustellen, ihre Botschaften zu verbreiten und mit Kunstliebhaber:innen in Kontakt zu treten. Die Interviews werden von unserer Redaktion nicht redigiert oder gekürzt und stets im O-Ton wiedergegeben. Daher nehmen wir auch keine Übersetzung des Interviews in Englische bzw. Deutsche vor, es sei denn, diese wird seitens des/der Interviewten eingereicht.

This post is also available in: English

One reply on “THE INTERVIEW IN|DEEDS: WHO IS … Paula Krause

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert