THE INTERVIEW IN|DEEDS: WHO IS … Stephan Balzer

Stephan Balzer, geboren 1966, Berliner Unternehmer, Redner und Berater, ist bekennender Kunstliebhaber und befasst sich seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten mit Gegenwartskunst. Im THE INTERVIEW IN|DEEDS spricht er mit uns darüber, wie es ist, mit Kunst zu leben, warum er die Kunst in seinem Leben nicht mehr missen möchte, wie er mit der Kunst erstmals in Berührung kam und was seine persönlichen Motive für den Kunstkauf sind.

DEEDS WORLD - Stephan Balzer 2021 - Courtesy ART at Berlin - Foto Andre Remark BA-min

Stephan Balzer, Foto: ART@Berlin, André Remark

Herr Balzer, welches Kunstwerk haben Sie zuletzt gekauft, von welchem Künstler und warum?

Das letzte Kunstwerk sind zwei Arbeiten im Großformat von Martin Assig, die meine Frau und ich von der Galerie Volker Diehl erworben haben für unsere neue Wohnung in Wilmersdorf.

Wie ist es mit Kunst, oder speziell mit viel Kunst zu wohnen? Was macht das mit einem – oder erwerben Sie aus rein dekorativen Gründen?

Ich bin täglich umgeben von Kunst, sowohl zu Hause als auch in unserem Büro und kann mir gar nicht vorstellen, wie es ohne wäre. Dekoration hat noch nie eine Rolle gespielt sondern eher die Möglichkeit einen Moment in unserer Geschichte einzufangen, also hier die Reflexion des Künstlers auf die Gesellschaft und unsere Umwelt als Zeitdokument und Interpretation.

Das Interview, welches Sie dem KUNST Magazin Sammlergespräche gegeben haben und in dem Sie damals aus acht Jahren Kunsterfahrung berichteten, ist nun über 10 Jahre her. Sie sammeln also mittlerweile seit 18 Jahren Kunst. Welche Künstler und wie viele Werke umfasst ihre Kunstsammlung heute?

Ich weiß es ganz ehrlich gar nicht genau, aber es sind ungefähr 115-120 Arbeiten.

Was hat sich seitdem verändert? Spielt das Image des Künstlers nach wie vor keine Rolle für Sie, wie Sie damals erklärten? Sind die jungen Positionen, in denen Brüche zu erkennen sind, immer noch die interessanteren für Sie?

Das Images des Künstlers spielt keine große Rolle. Meine Frau und ich sind nach wie vor Fan von jungen Nachwuchskünstlern, ergänzend dazu setzen wir uns immer wieder mit den Arbeiten von Künstlern auseinander von denen wir schon früher Arbeiten erworben haben. Jüngstes Beispiel hierfür ist Martin Assig, von dem wir bereits mehrere Arbeiten haben.

Was halten Sie von der aktuellen Entwicklung der Kunstszene und des Kunstmarktes? Baut das klassische Galeriemodell zu viele Schwellenängste auf? Was müsste sich ggf. ändern?

Ich bin mir nicht sicher ob das eine aktuelle Entwicklung der Kunstszene oder des Kunstmarktes ist, aber ich denke wir haben nach wie vor Schwellenängste in der breiten Bevölkerung, wenn es darum geht sich mit dem Thema zeitgenössische Kunst und Galerien auseinander zu setzen. Ich bin mir aber nicht sicher, Ob der Markt beziehungsweise die Galerien die Aufgabe haben sollten, zugänglicher zu werden, meiner Meinung nach sollten es eher die Museen sein, die Kunsthallen, Weil dort viel mehr Potenzial steckt. Ich finde im Vergleich zu einigen anderen Ländern die Angebote vieler Museen in Deutschland zu eng gefasst und in Teilen sogar elitär. Ich hoffe dass sich da etwas bewegt wenn die nächste Generation an Museums machen an das Ruder kommt. Ich denke auch hier gilt: a change is gonna come 🙂

Woher stammt ihre Leidenschaft für Kunst, wer hat sie erweckt?

Das war interessanterweise ein Marktteilnehmer, der ein guter Freund war und ist. Der Galerist Volker Diehl. Er weckte die Leidenschaft in dem er mich vor über 20 Jahren einlud mit auf die internationalen Messen zu fahren: New York, Basel, die Venedig Biennale, mascara, eine Messe die er damals mit initiierte, Dubai und so weiter. Obwohl ich bereits mit 22 mein erstes Original erwarb, begann eigentlich erst in dieser Zeit die Faszination.

Könnten Sie sich vorstellen, ohne Kunst zu leben?

Freiwillig nicht, wenn man gezwungen wäre natürlich. Aber der Verlust wäre enorm.

Gibt es einen Raum, in dem Sie keine Kunst hängen würden? Falls ja, welchen und warum?

Nein, nicht wirklich – eventuell in unserem Hauswirtschaftsraum, weil die Kunst eventuell dort leiden würde.

Was hat Ihr erstes Kunstwerk gekostet und was war es? Haben Sie es noch?

Ja das habe ich noch. Es ist eine Arbeit von Michael Laube, von der Galerie Kuckei und Kuckei, Ein recht großes Format, dass ich Anfang der Neunzigerjahre von ihm direkt erworben habe.

Was entgegnen Sie auf die These, Kunst sei elitär, und etwas, das nur Intellektuellen oder der High Society vorbehalten ist?

Ich würde dieser These entgegen setzen, dass sie es nicht sein sollte – denn in Teilen entspricht dies heute ja der Realität. Kunst muss inklusiv sein und allen Teilen der Gesellschaft zugänglich. Ich glaube wir sprechen hier von einem kulturellen Phänomen, dass sich über viele Jahre heraus gebildet hat und das den Teilnehmern den Zugang zu diesen intellektuellen und zu dieser High Society über die Kunst versprochen hat.

Was würden Sie heute Ihrem jüngeren Kunstkäufer-Selbst empfehlen?

Viel Zeit in Galerien und Museen zu verbringen, viel zu sehen und darüber sich selbst und auch seine eigene Präferenz zu entdecken.

Was ist innerhalb des weiten Feldes des Kunstsammelns für Sie das Wichtigste und warum?

Das wichtigste für mich ist dass ich einen Bezug zu dem Kunstwerk entwickle, sei es ein Impuls, sei es eine Emotion oder etwas was mich nachdenklich macht.

Unterliegt Kunstsammeln Trends? Wenn ja, welche Trends gibt es und welche spielen zurzeit eine zentrale Rolle?

Ich glaube dazu kann ich nicht viel sagen, weil ich dann doch über aktuelle Trends dem Kunstmarkt nicht informiert bin und mich damit auch nicht auseinandersetzen. Was mir aufgefallen ist dass wir in Bezug auf die Formate Veränderung sehen, sei es das Thema Film, was vor einigen Jahren stark wurde, dann immer mehr digitale und auch virtuelle Kunst, die vielleicht noch am jüngsten ist. Da ich ja auch Mitgründer der Contemporary Art Alliance in Berlin bin, kann ich nur empfehlen aktuell in das Haus am Lützowplatz zu gehen, wo wir die aktuellen Preisträger des ersten Virtual Reality Kunstpreises vorstellen. Ich selbst durfte die Preisverleihung moderieren und ich war begeistert über die Qualität der Arbeiten.

Wo oder bei wem kaufen Sie Kunst am liebsten – und warum?

Meine Frau und ich kaufen am meisten Kunst in Berlin, ab und zu auf Messen, wobei das in den letzten Jahren aufgrund unserer Kinder sehr stark in den Hintergrund trat. Wir kaufen bei verschiedenen Galerien, traditionell gern bei Volker Diehl und bei Eigen und Art. In letzter Zeit habe ich begonnen auch online bei einigen Auktionen arbeiten zu erwerben.

DEEDS WORLD - Stephan Balzer und Elena Kaplyar Balzer 2021 - Foto ART at Berlin Andre Remark DE

Stephan Balzer + Elena Kaplyar Balzer, Foto: ART@Berlin, André Remark

Nach welchen Kriterien kaufen sie Kunst?

Diese Frage finde ich immer schwierig, weil ich im klassischen Verständnis von Sammlern eigentlich keine Strategie habe. Das einzige Kriterium ist ob mir die Arbeit etwas sagt, sie etwas in mir auslöst. Und das unabhängig vom Medium, wir haben großformatige Arbeiten, Photografien, Skulpturen, einige Videoarbeiten, das ganze Spektrum.

Interessieren Sie sich für spezielle Kunstrichtungen bzw. Genres?

Ich verfolge wenn es mir die Zeit erlaubt nicht bestimmte Genres, sondern eher die Entwicklung unserer Gesellschaft und des Zeitgeistes.

Welche Rolle spielt für Sie die Beratung beim Kunstkauf?

Keine große Rolle, weil die Entscheidung trifft man am Ende ja allein, aber die Beratung hilft natürlich in Bezug auf den Kontakt zum Künstler und in Bezug auf den Kontext an denen die Arbeiten eventuell entstanden sind.

Wie wählt man aus, wenn man nicht alle Werke kaufen kann, die einem gefallen?

Ha ha, das ist das Dilemma in vielen Bereichen, natürlich auch beim Kunstkauf. Am Ende ist es eine Entscheidung entlang der eigenen Priorisierung.

Die Präsentation von Kunst im World Wide Web ist im letzten Jahr massiv gestiegen. Inwieweit glauben Sie an den Online-Verkauf von Kunst – und kaufen Sie dort auch?

Ja, ich glaube daran, dass Kunst online verkauft wird, ich selbst habe auch begonnen dort Kunst zu kaufen, allerdings überwiegend bei Auktionen.

Welches Konzept oder welche Leitlinie verfolgen Sie in Ihrer Sammlung?

Keine, es gibt keine Leitlinie, nur der Spaß und ob das Kunstwerk mir persönlich etwas sagt.

Berlin ist auf die Anzahl der Art Spaces bezogen neben New York und London eine der Top-Metropolen für Kunstkauf weltweit. Allerdings wird hier nicht annähernd so viel Kunst umgesetzt wie in den anderen beiden Städten. Was muss aus Ihrer Sicht geschehen, damit Berlin für Kunstkäufer interessanter wird?

Ich glaube Berlin ist für Kunstkäufer immer interessant, aber natürlich nicht für die Gruppe die sich in London oder New York tummelt, ganz einfach aufgrund von ökonomischen Gründen wie fehlender Kaufkraft. Meiner Meinung nach würden gerne viel mehr Leute regelmäßig nach Berlin kommen um Kunst zu kaufen, im Moment reduziert sich das eben auf die Messe und das Gallery Weekend. Ich glaube aber dass in den nächsten Jahrzehnten mit der Veränderung der Stadt auch eine Veränderung in Bezug auf die Bevölkerung eintreten wird und der lokale Markt stärker wird. Aber das wird noch dauern. So lang muss sich der Markt dann an den verfügbaren Budgets der lokalen Bevölkerung orientieren.

Kunstkauf ist eine Leidenschaft, die bestenfalls viel Austausch und Diskurs mit sich bringt. Wo, in welcher Form und wie erleben Sie dieses?

Ich erlebe genau dies in der CAA, die wir genau aus diesem Grund vor über zehn Jahren gegründet haben. Dort organisiert unsere Geschäftsführerin Bettina Pabst regelmäßig besuche in Ateliers, wir laden ein zu Veranstaltungen, wir treffen Protagonisten hinter den Kulissen des Berliner Betriebs der zeitgenössischen Kultur.

Wo sehen Sie die Grenze zwischen Kunstkäufer und Kunstsammler? Und ab wann sollte man seine Kunstsammlung (öffentlich) präsentieren?

Das finde ich schwer festzulegen, wo meine Kauf endet und Ho sammeln beginnt. Ein Bekannter hat mir mal gesagt, dass man ein Sammler ist, wenn man die Kunst nicht mehr aufhängen kann. Das wäre bei mir schon seit vielen Jahren so, trotzdem würde ich mich selbst nicht als typischer Sammler in der klassischen Definition beschreiben. Und die Entscheidung ob eine Sammlung öffentlich gezeigt wird sollte immer eine persönliche sein, ich finde es gibt keine Verpflichtung.

Wieviel Bildungsauftrag steckt im Kunstsammeln?

Ich sehe im Kunst sammeln eigentlich keinen Bildungsauftrag im originären Sinne, dazu haben wir Orte wie unsere Kunsthallen und Museen.

Haben Sie besondere Räume, in denen Sie ihre Kunst hängen oder präsentieren?

Nein, keine besonderen Orte, sondern unsere Kunst hängt da wo wir leben und arbeiten.

Was haben Sie durch das Kunstsammeln gelernt?

Oh viel: zu hören, was der Künstler einem zu einem Werk erzählt, über sich selbst in dem man beobachtet was dieses Kunstwerk emotional auslöst und ich habe viel über Menschen gelernt.

Wie haben Sie sich das Wissen über die Kunst angeeignet?

Durch viele Besuche von vielen Museen und Messen und dem zuhören bei Experten. Dann natürlich das übliche, Bücher Zeitschriften und Magazine.

Haben Sie schon einmal ein Kunstwerk wieder verkauft? Und bereuen Sie es heute?

Nein bisher nicht.

Könnten Sie sich einen Grund vorstellen, mit dem Kunstsammeln aufzuhören – welcher wäre das?

Nein, ich glaube aber was es immer wieder geben wird, sind Pausen, in denen man nicht teilnimmt am Kunstgeschehen unter denen man weniger erwirbt.

Welche drei Kunstmuseen sollte man besucht haben? Und Ihre Tipps für drei derzeit spannendste Galerien in Berlin?

Natürlich unsere Museen auf der Museumsinsel, dann den Louvre in Paris und das Moma in New York, die drei sind ein guter Beginn. Bei den Galerie Empfehlungen bin ich mir nicht sicher, da mir der Überblick fehlt aber ich würde immer zu Volker Diehl gehen, zu Johann Koenig und zu Judy Lybke bei Eigen und Art.

Gilt das folgende Zitat für Sie heute noch unverändert, oder hat sich etwas verändert in den letzten 11 Jahren?

„Es hat viel mit Lust zu tun, ich bin ein sehr lustbetonter Mensch, ich lebe sehr gern: Gutes Essen, Spaß, und Kunst gehört für mich auch dazu. Das ist der Kick für das Gehirn, den ich mir gebe, und das wird sich auch nicht verändern. Ich habe diesen schönen Kunstvirus vor Jahren bekommen, den ich auch nicht mehr loswerden will. Ich kann das nur jedem empfehlen, der noch nicht so viel Kunst gesehen hat: Fangen Sie damit an, das macht extrem Spaß. Menschen, die nur ein kleines Budget haben, können zeitgenössische Kunst sammeln von Künstlern, die um uns sind, die mit ihren Arbeiten unser Leben bereichern.“

Stephan Balzer, in: KUNST Magazin Sammlergespräche, geführt von Jan Kage, 6. Mai 2010

Ja, nach wie vor !

Vielen Dank, Herr Balzer.


In Zeiten von Corona, in denen Reisen, Atelierbesuche und persönliche Kontakte unangebracht oder sogar unmöglich sind, bleibt das schriftliche Interview ein wichtiges Medium, um Persönlichkeiten der Kunstbranche vorzustellen, um ihre Botschaften zu verbreiten und um mit anderen Kunstliebhabern in Kontakt zu bleiben. Die Interviews werden von der Redaktion nicht redigiert oder gekürzt und stets im O-Ton wiedergegeben. Daher nehmen wir auch keine Übersetzung des Interviews in Englische bzw. Deutsche vor, es sei den, diese wird seitens des/der Interviewten eingereicht.

This post is also available in: English

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert