Die aus Hannover stammende und in Berlin lebende und arbeitende Künstlerin Iris Musolf spricht im Rahmen ihres Interviews über die zentrale Botschaft ihres künstlerischen Werks.
Bitte beschreiben Sie das Kernthema und die zentrale Botschaft Ihres Werks.
Hinter den künstlerischen Prozessen steht für mich die Frage, wie durch Materialverschiebung soziale und psychologische Qualitäten sowie menschliche Abgründe und Deformationen sichtbar werden, aber auch ein Moment des Staunens.

Portrait mit AK-Air 20, 2020
Foto: © Dr. Cordia Schlegelmilch
Zentrale Themen sind banale Werbe -und Wegwerfartikel, optimierte und billige Plastikoberflächen, vordergründiger Spaß, unverbindlicher Sex und seine Vermarktung, bunte Bilder. Ich versuche, diese schillernden Symbole der Leichtigkeit, der und des oberflächlichen Konsums mit ungewöhnlichen Materialien und Formen eine Art schwere Wichtigkeit anzudichten, die sich bei näherer Betrachtung ad absurdum führt und schließlich wieder auflöst. Wie muss ich die optische Präsenz ändern, damit sich die so Resonanz verändert, dass etwas vom Wesen hervorkommt?
Stellen Sie uns die Arbeit vor, die aus Ihrer Sicht exemplarisch für die Botschaft Ihres Werks steht, oder diese aus Ihrer Sicht am besten verkörpert.
Aufblasbare Sextiere aus Beton, die Verquickung eines Scherzartikels mit einer masochistischen Denkfigur.

Shake A Little Ass, 2011
Foto: © Dieter Düvelmeyer, Courtesy Galerie Lörcher
Stellen Sie sich eine Gummipuppe zum Aufblasen vor. Es gibt nicht nur Puppen, sondern auch aufblasbare Plastiktiere, die über Öffnungen am Hinterteil zur Penetration verfügen: Esel, Schweine, Kühe, Hühner. Ich habe sie in Beton abgegossen.

Blow-Up Love Doll Animals, Ausstellungsansicht Allgemeiner Konsumverein, 2015
Foto: © Iris Musolf / Dr. Cordia Schlegelmilch
Daran lässt sich auch meine Arbeit „Springbock“ anknüpfen. Das ist ein Gestell, das an einen Turnbock erinnert, aber es ist zu dünn und viel zu hoch, als dass man darüber springen könnte.

Springbock, Galerie Gilla Lörcher, 2020
Foto: © Dr. Cordia Schlegelmilch, Courtesy Galerie Gilla Lörcher
Auf dem Bock liegt ein aufblasbares Bumskissen aus Carrara Acrystal.

Herstellung der Arbeit „Springbock“
Foto: © Iris Musolf
Oder die „Gelbe Kabine“, die ich für das Bundesamt für Strahlenschutz gebaut habe. Die Gondel ist ein Nachbau einer Riesenradgondel aus dem Vergnügungspark in Tschernobyl.

Gelbe Kabine, Bundesamt für Strahlenschutz 2018
Foto: © Marion Schmiding & Alexander Ludwig Obst
Die Gondel verspricht Spaß und Spiel, lachende Kinder. Und sie ist zugleich Zeugin einer der größten technischen Katastrophen der Menschheit durch das Reaktorunglück im Atomkraftwerk 1986.

Herstellung der Arbeit „Gelbe Kabine“ bei sculptureberlin 2018
Foto: © Dr. Cordia Schlegelmilch

Herstellung der Arbeit „Gelbe Kabine“ bei sculptureberlin 2018
Foto: © Dr. Cordia Schlegelmilch
Für mich gibt es keine Trennung von Genuss und Konsum und dem, woraus er gemacht ist. Die Kunst gibt mir die Möglichkeit, diese Ambivalenzen zusammenzuführen, also das, was auch ich in meinem Leben sonst versuche, auszublenden oder nicht zusammengedacht bekomme, in eine Form zu kriegen.
Ich hoffe, dass es mir vielleicht ein bisschen gelingt wie Martha Rosler mit ihrer Serie „Bringing The War Home“ oder Oliviero Toscani, der Jesus Jeans und die Benneton-Kampagne fotografiert hat

AK-Air 20, 2019, Galerie Gilla Lörcher, 2020
Foto: © Dr. Cordia Schlegelmilch, Courtesy Galerie Gilla Lörcher
Was ist das Ziel Ihrer Kunst, Ihres Werks – was soll es beim Betrachter bewirken?
Das kann ich doch gar nicht beeinflussen. Ich wünsche mir, dass sie sich denen, die sie kennen, immer wieder innerlich zeigt.
Die Frage nach THE DEED | DAS WERK ist ein ergänzender und separat präsentierter Teil des THE INTERVIEW IN|DEEDS mit Iris Musolf.
This post is also available in: English