INTERVIEW | GAMA | Ein Künstler zwischen Mongolei und Berlin

Der Künstler GAMA lebt in Berlin, stammt jedoch aus der Mongolei und hat in China und Deutschland Kunst studiert. In seinem ungewöhnlichen Werk verknüpft er unter anderem schamanische Bilderwelten mit einer eigenen Ikonographie. Die Charlottenburger hilleckes probst galerie zeigt seine aktuelle Ausstellung “Fremdwald” noch bis 25.04.2020. Mit GAMA sprach der Journalist Thomas Horsmann, der auch den folgenden Beitrag verfasste.

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GAMA im Atelier

Bäume tauchen in vielen Bildern von GAMA auf. Und Innenräume. Sie haben ihn früh fasziniert. Denn
GAMA hat die ersten sieben Jahre seines Lebens in der zentralasiatischen Steppe verbracht. Die
Familie zog mit ihren Tieren durch die baumlose Graslandschaft der Mongolei. Dann gaben seine
Eltern ihr Nomadenleben auf und schickten ihren einzigen Sohn in die Schule. Damals sah er den
ersten Baum seines Lebens. „Eine Birke“, sagt er fast schon andächtig. Und zum ersten Mal betrat er einen fest gebauten Raum aus Stein. Ein Kulturschock. „Seither male ich gerne Innenräume“, erzählt der sympathische 43-Jährige, den der Kontrast zur Natur reizt.

In der chinesischen Schule mit 50 Schülern in einem Raum saß GAMA, der stille Außenseiter, ganz
hinten – und malte. Seine Bilder zeigten Hinterköpfe, die er so treffend auf das Papier bannte, das
die Mitschüler eindeutig zu erkennen waren. Das zeichnerische Talent begeisterte den Kunstlehrer,
der GAMA nicht nur sehr gute Noten gab, sondern ihn auch förderte und ermunterte. Er unterstützte GAMAs Bewerbung an der Kunsthochschule in Peking. „Jedes Jahr versuchen 20.000 Bewerber dort angenommen zu werden, aber nur zwölf schaffen es“, erzählt GAMA stolz. Denn er schaffte es und reiste in das ferne Peking.

Mit seinen beeindruckenden Wolkenkratzern, den langen Zügen und Straßenbahnen wieder ein Kulturschock. „Und zum ersten Mal habe ich andere Kinder getroffen, die besser malen konnten als ich“, so GAMA weiter. Auf dem anstrengenden Lehrplan stand viel Technik und Kunstgeschichte.
„Dort habe ich sehr akademisch Malen gelernt“, erzählt er von seinem Weg zur Kunst. Perfekte
Technik, um perfekte Menschen im sozialistischen Realismus zu malen. „Für mich waren das tote
Menschen, ohne Leben.“

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Fremdwald, 2019, Öl auf Leinwand, 100 x 70 cm

Ölmalerei hätte GAMA zu gerne besser kennengelernt. „Aber in ganz China gab es keine
Originalwerke“, klagt er. Kurz vor dem Diplom besuchte er die Deutsche Botschaft und stieß dort auf
viele Kunstkataloge, unter anderem von Gerhard Richter und Baselitz. „Die deutschen Künstler haben mich total umgehauen“, schwärmt er noch heute. „Da habe ich kapiert, dass Kunst Freiheit ohne Grenzen ist!“ Von da an wollte er nur nach Deutschland. Frankreich oder die USA hätten ihn nicht so gereizt.

GAMA bewarb sich und erhielt ein Sprachvisum für Deutschland. In Freiburg lernte er ein Jahr lang Deutsch. „Um mich zu finanzieren, musste ich oft für zwei, drei Euro pro Stunde als Tellerwäscher
arbeiten – schwarz“, berichtet er, da seine Eltern zu arm waren, um ihn zu unterstützen. Doch GAMA
hatte eine Vision: „Ich wollte an einer deutschen Kunsthochschule studieren und lernen.“ Und
tatsächlich gelang es ihm. „Ich habe mich an allen Akademien beworben und wurde fast überall
angenommen“, schwärmt er stolz. Doch in den meisten Städten seien die Mietpreise zu hoch
gewesen. Deshalb habe er sich für Karlsruhe entschieden, dort gab es günstige Zimmer. Als Student konnte er nun auch normal arbeiten und seinen Unterhalt verdienen.

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Was ihn am meisten beeinflusst hat? Die verschiedenen Kulturschocks auf jeden Fall und sein Weg
zur Freiheit von der Mongolei über China nach Deutschland. „Freiheit hat mich wahnsinnig in meiner Kunst beeinflusst“, ist sich GAMA sicher. Als er in Deutschland sein Studium begann, habe es ihn sehr überrascht, dass deutsche Kunststudenten ihre Freiheit gar nicht nutzten. „Für mich ist Freiheit sehr wichtig!“, betont der 43-Jährige, dessen Vorname übrigens „Stern“ bedeutet.

Die Deutsche Spätromantik fasziniere ihn sehr: Lenbach, Schwind oder Spitzweg, aber auch Frühromantiker wie Caspar David Friedrich. Sie zitiert er immer wieder in seinen Werken. Die Kontraste, die er in seinem Inneren vereine, spiegelten sich in seinen Werken wider: Ost und West,
Innen und Außen, Natur und Bauwerke, Abstraktion und Figuration. „Ich versuche, östliche Kultur
und westliche Begriffe zu verbinden“, erläutert GAMA.

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Luce, 2019, Öl auf Leinwand, 200 x 180 cm

Ebenso spielten Glaube, Schamanismus und Buddhismus in seiner Kunst eine große Rolle. „Pilze
stehen für die buddhistische Wiedergeburt. Pilze sind weder Tier noch Pflanze und sie sterben nicht, Pilze kommen immer wieder“, erläutert er das häufig wiederkehrende Motiv in seinen Bildern. Dazu gehört auch der Hirsch. „Das Tor zwischen unserer Welt und der Geisterwelt wird von ein bis zwei Hirschen bewacht“, erzählt GAMA. Wenn ein Schamane einen kranken Körper heilen wolle, dann müsse er in die Geisterwelt wechseln und dort die Seele heilen. Der Körper werde dann automatisch gesund. Auch der Totenkopf taucht immer wieder in seinen Bildern auf. „Er steht für Leben und Tod, beides gehört zusammen, so wie Ying und Yang, Gut und Böse, Tag und Nacht“, erläutert der Vater zweier Kinder.

Wie er seine Themen findet? „Das ist ganz einfach“, lächelt der Künstler, „ich schließe meine Augen und schon habe ich eine Idee“. Es dauere dann ein bis zwei Wochen, bis er sie im Kopf ausgearbeitet habe. Das Malen sei dann in drei Tagen erledigt, er sei schließlich technisch perfekt ausgebildet. Am liebsten arbeite er in Öl und mit Acryl-Mischtechniken. Für seine großformatigen Farbholzschnitte habe er eine eigene Technik entwickelt, für die er nur eine einzige Vorlage anfertigen müsse. Normalerweise wird für jede Farbe eine Vorlage benötigt.

ART at Berlin - hilleckes probst galerie - GAMA - Portrait 1-min

GAMA im Atelier

Sein nächstes Ziel ist, mit seiner Galerie hilleckes probst bei der Art Basel dabei zu sein. „Das ist wie
ein Ritterschlag!“ GAMA zeigt bei hilleckes probst derzeit eine Auswahl seiner Werke. Die Ausstellung heißt „Fremdwald“ und ist noch bis zum 25. April zu sehen.

hilleckes probst galerie
Suarezstraße 55
14507 Berlin-Charlottenburg
030 89 54 98 80
info@hilleckes-probst.de
Dienstag bis Freitag 10 bis 18 Uhr, Samstag 11 bis 15 Uhr

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