THE INTERVIEW IN|DEEDS: WHO IS … Christian Awe

Christian Awe studierte an der Universität der Künste bei Professor Georg Baselitz und war Meisterschüler von Daniel Richter. Neben seinen künstlerischen Aktivitäten sowie nationalen und internationalen Ausstellungen engagiert er sich für eine Vielzahl von Sozial- und Kulturprojekten in Deutschland, dem Mittleren Osten und Afrika. Christian Awe stellte sich im April 2017 dem Interview IN|DEEDS.

Zwei Sätze zu Deiner Vita.

Ich bin geboren in Berlin (1978) – aufgewachsen in Berlin – lebe und arbeite in Berlin und kehre nach meinen vielen Kunstreisen immer wieder gerne zurück in diese Stadt, die in meinen Augen eine der inspirierendsten Städte der Welt ist.

Worüber machst du dir zurzeit am meisten Gedanken; was beschäftigt Dich?

Über den Einfluss, den Kunst auf die Gesellschaft hat bzw. haben sollte. In Bezug auf meine Arbeit beschäftige ich mich sehr intensiv mit meiner neuen Serie der Wasserbilder. Wasser als Metapher für das Leben, aber auch als Metapher für das Meer und die Anstrengungen, die viele tausend Flüchtende auf sich nehmen müssen, um es zu überwinden.

Wie bist Du zur Kunst gekommen? Warum Kunst?

Ich bin in der ehemaligen DDR aufgewachsen. Nach der Wende begannen viele Jugendorganisationen und Sportvereine, sich aufzulösen. So fingen wir an, nicht mehr im Verein Sport zu treiben, sondern in den Straßen Berlins. Hinzu kam eine Art „Graffiti-Tourismus“ von West- nach Ost-Berlin. Dadurch bin ich in Kontakt mit älteren Sprühern aus ganz Europa gekommen.  Für mich war das alles sehr interessant und beeindruckend, und so kam ich über den Sport, vom Fußball zum Basketball hin, zum Graffiti und später dann zur bildenden Kunst. Für mich gibt es keine Alternative.

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Christian Awe – Foto: Bernd Borchardt
Was macht Dich aktuell glücklich? Was macht Dir aktuell Angst?

Momentan genieße ich die Frühlingssonne so oft es geht – da lebe ich förmlich auf, sie gibt mir Kraft und Energie. Angst? – Kreativität funktioniert besser ohne Angst.

Was macht Deine Kunst aus? Und kannst Du die Intention Deiner Kunst mit uns teilen?

Ich denke, es ist die expressive Farbigkeit und die Dynamik meiner Bilder, womit ich versuche, die Menschen zu inspirieren. Ich lade den Betrachter dazu ein, sich näher mit ihnen zu beschäftigen und immer wieder Neues in ihnen zu entdecken. Meine Bilder sind lebensbejahend und geprägt von der Vielschichtigkeit, der Lebendigkeit und dem Vibe der Metropolen dieser Welt. Sie funktionieren sowohl auf Leinwand und Papier sowie auch als großformatige Wandbilder im Außenraum.

Wie schützt Du Dich in der heutigen Zeit vor zu viel Inspiration?

Ich nehme mir meine Auszeiten, in denen ich Zeit für mich habe, mir einfach etwas Ruhe gönne oder Basketball spiele. Ich gehe in ausgewählte Ausstellungen und gute Live-Konzerte. Und ich wähle auch die Menschen genau aus, mit denen ich mich umgebe und die Einblick in mein Atelier haben.

Wie beurteilst Du die aktuelle Entwicklung des Kunstmarktes?

Es ist wunderbar, dass die Kunst einen immer größeren Stellenwert in der Gesellschaft einnimmt. Aber meiner Meinung nach haben wir gerade mal 10% ihrer Möglichkeiten ausgeschöpft.

Zwei Sätze zu Deinem aktuellen Projekt.

Ich arbeite intensiv an meiner Serie der Wasserbilder, einer Technik, an der ich gut zwei Jahre experimentiert habe. Die Bilder sind ruhiger und weniger explosiv als meine vorherigen Arbeiten. Durch ihre dreidimensionale Wirkung scheinen sie fast fotografisch realitätsnah zu sein, es ist als würden echte Wassertropfen die Leinwand benetzen.

Was sind Deine (nächsten) Ziele?

Ich möchte mein neues Atelier, in das ich gerade gezogen bin, zum Glühen bringen und die von mir und durch meine Arbeiten finanzierte Schule in Burkina Faso eröffnen, eine Schule für 120 Jugendliche an der Grenze zu Mali. Es ist toll, über die Kreativität etwas zurück zu geben; direkte Entwicklungsarbeit, so dass Menschen gar nicht erst in die Not kommen, ihre Heimat verlassen zu müssen.

Wie viel in Ihren Arbeiten ist vorher geplant – wie viel entsteht intuitiv?

Es gibt zwei unterschiedliche Ansätze: Bei dem einen gibt es eine Strategie – es ist vergleichbar mit Schach spielen und sehr geplant. Kaum vorstellbar, aber es ist die gesteuerte Geste, vergleichbar mit der Malerei von Hans Hartung -was viele nicht wissen- dass die Malerei auf Zeichnung basiert. Der andere Ansatz ist ein freies Experiment. Malerei ist eine Sprache, die davon lebt, sie zu sprechen und in der Tiefe auszuloten, was zu einer neuen Bilderfindung führt.

Worum geht es in Deinen Werken?

Meine Bilder spiegeln den Puls und die Dynamik von Metropolen wie Berlin, New York oder Ouagadougou wieder. Es ist mir aber auch wichtig, gesellschaftspolitische Themen aufzugreifen. Deshalb geht es in vielen meiner Bilder um Freiheit, Toleranz, Mut, Weltoffenheit und ein Gefühl des Zusammenhalts. Alles Themen, die auch in der aktuellen Flüchtlingssituation von Bedeutung sind.

Glaubst Du, dass Kunst eine gesellschaftliche Verantwortung trägt? Und was glaubst Du, kann sie bewirken?

Genau das ist es, was mich umtreibt. Ich möchte Menschen wachrütteln und inspirieren, möchte Fragen stellen. Künstler sind oftmals die ersten, die so etwas tun, denn sie sind frei und unabhängig.

Welche Künstler interessierten Dich?

Mir persönlich geht bei Malerei und Skulptur das Herz am weitesten auf. Inzwischen gibt es viele spannende zeitgenössische afrikanische Künstler, die mit völlig neuen Aktionsweisen zu neuen Sehgewohnheiten anregen.

Hast Du ein Glaubensbekenntnis – wenn ja, wie lautet es?

Finde heraus, was Dich glücklich macht und intensiviere dieses Gefühl. Kunst, Farbe, Eiscreme und Michael Jordan trifft es tagsüber …

Hat sich Deine Kunst über die Jahre verändert – und wenn ja, wie und warum?

Es gibt Künstler, die bewahren, was sie machen und sind stark in der Intensivierung der Wiederholung. Ich dagegen versuche, mich immer weiter zu entwickeln und mich selbst neu zu erfinden. Dabei suche ich nach Neuem in Inhalt, Form und Ausdruck. Durch so einen spielerisch experimentellen Zugang ist beispielsweise auch die Technik meiner Wasserbilder entstanden.

Wie weit würdest Du gehen? Gibt es Tabus?

Kunst beschäftigt sich mit übergeordneten Themen und agiert nicht tagesaktuell.

Welches Projekt würdest Du gerne realisieren?

Einen Eisberg zu bemalen, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen.

Was sind aus Deiner Sicht Attribute für gute Kunst?

Sie sollte etwas Neues, noch nie Dagewesenes in Inhalt, Ausdruck und Form darstellen, die Menschen berühren, Fragen aufwerfen und einen Wow-Effekt haben.

Was war für Dich die größte Herausforderung?

Mich unabhängig von anderen zu machen und meinen eigenen Weg zu gehen.

Hörst Du Musik beim Arbeiten? Wenn ja, welche?

Ja, immer – und zwar alles, was groovt und swingt. Im Optimalfall ist es Live-Musik. Ein DJ während des Malens wäre toll – Bewerbungen nehme ich gerne entgegen. 😉

Gibt es einen Künstler oder ein Kunstwerk inDeinem Leben, der/das Dich nachhaltig beeinflusst?

Verschiedene Expressionisten, vor allem die Brücke Maler, der junge Heckel und Schmidt-Rottluff, ihre gesteigerte Ausdruckskraft, gemischt mit Impulsen meiner Heimatstadt Berlin. Dies fand ich auch bei einigen Graffitimalern in der Wendezeit.

Wird man als Künstler geboren? Oder ist ein Kunststudium Pflicht?

Ich denke, jeder Mensch hat das Potenzial, Künstler zu sein. Die Frage ist, ob man es zulässt, sich traut und sich ohne Rücksicht ins Meer der Kreativität wirft.

Hat Berlin Einfluss auf Deine Kunst? Wenn ja, welche?

Ja, auf jeden Fall. Das Urbane findet sich in vielen meiner Bilder wieder. Einige würde ich durchaus als „laut“ und mit viel Action bezeichnen.  Aber in dem Chaos findet sich auch eine Ordnung und universelle Wahrheit.

Hier geht es zur Webseite des Künstlers.

Bildunterschrift: Foto Bernd Borchardt

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